Ein Überraschungstipp von 2011

Neben seinen Dramen und Novellen ist Kleists Abhandlung Über das Marionettentheater einer seiner meist beachtetesten Texte. Generationen von Lesern haben die Hintergründigkeit und Schönheit der Gedanken gepriesen, die Kleist in diesem kleinen Prosastück formuliert hat und die auch im Jahr seines 200. Todestages nichts an Aktualität eingebüßt haben.

Heinrich von Kleist thematisiert in seinem 1810 in den Berliner Abendblätter erschienenen berühmten Marionettentheater den Verlust von Anmut und Grazie durch das reflektierende Bewusstsein. Ungetrübt durch dieses ist die Puppe dem menschlichen Tänzer an Anmut überlegen und darüber hinaus dem naiv unschuldigen Tier verwandt. Erst wenn unsere Erkenntnisse „gleichsam durch ein Unendliches gegangen“ sind, kann sich die Grazie wieder einfinden, da sie am reinsten da erscheine, wo „gar keins, oder ein unendliches Bewußtsein [ist], d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott“.

Die asymmetrisch angelegte Gestaltung im durchgehend zweifarbigen Druck versucht eine Vertiefung des Gesagten durch Visualität zu erreichen, hierzu wird ein polymediales Muster mit vier unterschiedlichen, jedoch miteinander korrespondierenden Text- und somit Typographieebenen dargeboten, um besonders den Aspekt des Unstimmigen, Inkohärenten, auch Bruchstückhaften in der Kleistschen Dichtung zu illustrieren.
Heinrich von Kleist, geboren 1777 in Frankfurt a.d. Oder, gestorben am 21. November 1811 durch Suizid (mit Henriette Vogel) am Wannsee. Einer der größten und wirkungsvollsten deutschen Dramatiker und Erzähler.

László F. Földényi, geboren 1952 in Debrecen, ist ungarischer Essayist, Kunsthistoriker, Literaturkritiker und Übersetzer. Mitherausgeber der ungarischen Ausgabe der Werke von Heinrich von Kleist.

Beachten Sie unsere Veranstaltung am 12.11.11 mit Klaus Detjen, dem Herausgeber der „Typographischen Bibliothek“.